Die Späten Alben

Vergilien

...nur Vergil bleibt hängen und
wird dem Gespött preisgegeben.

Vergilsagen des Mittelalters,
Wikipedia

widmung

was kann das holz dafür dass es
als pfeil zur welt kam und auf diesen

märtyrer zurast es beleidigt mich
in dessen augen keinen schreck
zu sehen ob ich ihn treff liegt nicht

bei mir es hängt von zufallsketten
ab das heißt von tradition was
kann das zeichen schon dafür

dass ausgerechnet dieser sinn es
angefallen hat und umgekehrt

venus

liebe verspricht ein werbeplakat
die liebe ist rosa hat krallen wie

kinski als nosferatu verkleidet
ratten überschwemmen die stadt
liebe ist nageldesign das biest

im beautysalon belauert die opfer
saugt ihr blut ihren glauben dass
liebe alles ist was du brauchst

verbittert sehen vor dem plakat
die gesichter der sterblichen aus

thetis

ich stehe auf und lasse sie liegen
wir waren zwei steine im steinbett

ich hielt sie fest sie wurde wasser
ich aber ließ nichts durch die finger
rinnen und sie wurde feuer ich biss

die zähne zusammen da wurde sie
löwin ich hielt sie im würgegriff und
hielt eine python in händen und ich

der held dieser sage hielt am ende
nur noch stein in meinen armen

dithyramb

im sado schreibt die zeitung werden
wieder delphine gesehen sie springen

den fluss nah der insel troja hinauf
sie spielen im wasser und lachen über
die reste eines reichs das einmal war

denn alles fließt und zwar hinunter
dahinter das meer wirkt halbwegs ewig
sie lassen sich treiben die verhexten

piraten und lachen über jugendsünden
an die sich keine zeitung erinnert

königshaus

in schleim der wirkt wie gleitkrem
oder kleber kriecht die zeit

nein nicht die zeit vielmehr was sich
bewegt in ihr der zeit und gleitet
oder klebt mal mehr das eine

mal das andere durcheinander
meist und ordentlich sitzt oben
drauf ein haus das nennt man

königreich und wie die nackten
heißen steht bestimmt im brehm

campo de ourique

alles ist hier zugeparkt die
soldatesk benannten straßen

autos wie armeen und lutsch
bonbons für panzergeneräle
wo noch platz ist wird sofort

gebaut fünf ingenieure machen
dicht belagern einen maurer
der nur weg will aber schnell

am liebsten in die mouraria
bevor das hier noch eskaliert

martím moniz

die metrostation ist dem heiligen
der tailgater gewidmet sie huschen

durch grenzen und tore er huscht
den mauren hinterher und kommt
der stadt in den schließmuskel der

muskelt aber nicht schließt sondern
blutet die christlichen ritter rauschen
durchs hämorride tor und metzeln

seither flattern neid und blut die
beiden geier hungrig über lissabon

märtyrer

am platz der märtyrer fürs vater
land auch fafnir hat sich hier ein

genistet liegen hände arme beine
gefühllos und ohne besitzer herum
ein stiller tanz der teufel huscht

durch die luft geschichte ist ein
splatterfilm aus dem man nicht
erwachen will die augen gebannt

die ideen schartig wie ein schwert
das ein held aus einer leiche zieht

parque

ein auge geformt aus einer münze
beobachtet uns und wir merken es
kaum das sieht man: wir merken es

kaum das auge die münze gestiftet
viel zu spät gestiftet für einen der
gerechten unter den völkern die zu
wenige sind es beobachtet uns und

wir merken es kaum und das sieht
man: wir merken es kaum dass es
sieht das auge dass es uns sieht

manuel

er hielt seine schützende hand
es rieselte ihm durch die finger

schreib nicht er war der juden
schreib er war der bänker könig
auch unter seiner herrschaft

gingen die anderen zugrunde
was ich geschrieben habe das
hab ich geschrieben schreib ich

es rieselt mir durch die finger
ich halte die schützende hand

liebesinsel

das meer ist überall dunkel
auch die insel hat kein licht

die toten erzählen vom krieg
sie haben sonst nichts gelernt
zuweilen zählen sie gräber

wer die meisten zählt gewinnt
man sieht von innen gar nichts
von außen sieht man nur wenig

die toten träumen vom sehen
die sterblichen schlafen blind

licht

die stadt ist ans licht genäht so
heißt es am morgen schält sich

überall form aus dem dunkel die
burg der restauradores marquês
die stadt eine borte genäht ans

gedächtnis ein nächtliches nähen
umnähen zunähen am abend ver
schluckt das dunkel die form die

stadt ist so heißt es ein tägliches
nähen zunähen umnähen nähen

baixa

das herz ist voller steine wie
von römern aber umgestülpt
so unverstanden aus ruinen
und beim bauen ruiniertem

ARMA VIRUMQUE CANO

aufgebaut umgibt uns eine
landschaft ganz aus hügeln
und zwischen diesen schultern
sitzen wir mit den gedanken
meist so ganz woanders

chiado

hier stehn sich dichter auf den füßen
touristinnen sitzen auf pessoas schoß

das ist der erträumte ruhm verkleidet
als glamour ein älteres ehepaar steht
vor chiado satirischer dichter liest er

fünfzehn nochwas ging vielleicht auch
genauer im schutz der dämmrung pisst
einer camões an den sockel gute wahl

wer schon so viel nation im urin hat
braucht keine ultrarechten parteien

schiffskatalog

hier liegen die schiffe und spucken
rentner aus mit kurzen hosen und

krebsroten beinen die laufen in die
shops auf denen typisch steht und
kaufen souvenirs und halten das

englisch das der indische verkäufer
ihnen zu liebe spricht für landes
sprache sie sagen gracias und wo

fährt denn hier die berühmte bahn
dann werden sie wieder eingesaugt

tsunami

ein beben im atlantik hat lissabon zerstört
erst stürzten häuser ein dann brachen feuer

aus zum schluss kam der tsunami viele
leben auf der straße wohnungen sind rar
wir rücken eng zusammen ein gehalt ist

eine monatsmiete träume werden hinten
angestellt und rente ist ein luxus für noch
ungeborene in einer fernen zukunft auch

europa hat kaum schutz geboten als
nach dem beben der tsunami kam

trockenfass

den kopf im trockenfass
an bord eines seelenverkäufers
die sterne verblassen im fluss
vor uns wächst die morbide
schönheit der stadt. ein paar

sind betrunken ein paar
ohne schutz die mehrheit
reiht sich ein zum dienst
an ihren schreibmonstranzen

gleichmass

gleichmaß: wegströmendes wasser
und kleiner werdende stadt und
selbst ob das verschwinden noch
da ist weiß ich nicht weiß nur es

war schon ein bild da war noch nichts
von bedeutung zu sehen im gegenteil:
sie verschwand und unsere hände (er
finde ich das?) lagen zusammen als

hätten sie angst. kleiner werdende
stadt und wir auf dem wasser weg
getriebene zeichen bedeutungslos
ohne mund der sich verspricht

cirith ungol

jetzt aber kommen wir zu jenem ort
wie eine treppe die nach unten führt

so sieht er von weitem aus von nahem
stinkt er als stünde camões oben drauf
gandalf hätte uns gewarnt das jahr des

orféu: die gasmaskenpanik und truppen
kämpfen an grenzen von ländern die auf
andern kontinenten liegen es wird dann

überhaupt sehr viel gelegen gandalf
zum trotz stürzen wir uns in den orkus

der alte vom restelo

die bombe am restelo gestern
ausrufezeichen gegen gezeiten

die ebbe heute trägt die flotte
fort und morgen bringt die flut
antwort bekenner war der alte

der ungehört blieb im gedräng
niedergeritten vom eifer der eil
fertigen & schallwellenbrecher

der knall der bombe in der luft
verebbt gemächlich im gehör

belém

das wort bellt einen direkt an
wachhund vor der neuen welt

hängt den entdeckern am bein
die meisten gehen unter oder
sterben langsam am skorbut

vielen jedenfalls fehlt später
ein stück körper holzbein herz
und augenklappe ähnlich sieht

nach der visite aus europa auch
die neue welt gealtert aus

namban

seht: so sehen sie uns wir
klettern geschickt im takel
werk wir haben große pferde

wir schiffen uns ein nach über
see wir torkeln durch den see
gang sie sehen die blöcke die
hundsfott sie sehen wie sie die

takelage nicht verstehen und
wie sie erst die ohren spitzen
als unsere gewehre knallen

poço dos negros

woher der name dieser straße kommt
ist mir nicht so wichtig es gibt jedoch

ein dokument von könig dom manuel
in dem er sich beschwert darüber dass
das ganze tejo-ufer stinkt von faulenden

kadavern und verlangt man möge eine
müllkippe errichten damit die lissabonner
ihre sklaven ordentlich entsorgen können

ob das der ursprung dieses namens ist
scheint mir aber wenig relevant

weltmaschine

ein punkt im universum
in irgendeinem keller oder
vielleicht auch im gehirn

man sieht von hier aus alles
auf der tafel gegenüber wird
die werbung gewechselt und

die sonne tönt in alter weise
nirgendwo schatten ungetrübt
ist der blick der sachlichkeit

von irgendeinem keller aus
vielleicht auch vom gehirn

saum

er ist erst gerade aufgewacht
und noch meint er am horizont

das schiff zu sehn das aus dem
unbekannten wiederkommt und
jetzt in flammen aufgegangen ist

er meint er hört es zischen als
das feuer in die wellen taucht
und es ist aus wir kehren nie

dahin zurück von wo wir
einmal weggegangen sind